Ludwig Haas, geb. 1947 und wohnhaft bis 1985 in 8330 Feldbach, danach 8383 St. Martin an der Raab, Drosen 45!
Die Stahlskulpturen des Ludwig Haas sind einzigartig. Sie sind archaisch, rau und elementar, als würden sie direkt aus der Schmiede des Hephaistos kommen.
Sie sind massiv, schwer und stählern wie industrielle Werkstücke. Sie sind geformt wie Idole einer ursprünglichen Zivilisation, die die oststeirische Heimat des Ludwig Haas vor langer Zeit bevölkert hat, zu einer Zeit als das Urmeer dem Vulkanland gewichen ist. Und dennoch: die Werke des Ludwig Haas sind Kinder unserer Tage. Sie sind wegen der Besonderheiten ihrer Entstehung nur als Kunstwerke des 21. Jahrhunderts möglich.
1990 konnte Ludwig Haas bei seiner autodidaktischen Suche nach dem eigenen künstlerischen Ausdruck das erste Mal erleben, was es für einen Künstler bedeutet, authentisch zu sein. Nach Experimenten als Maler und Steinbildhauer hatte der gelernte Schlosser das damals unübliche Hohlmeißelverfahren in die Kunst eingeführt. Heute ist seine Art der Kunstausübung mit dieser technischen und handwerklich hoch anspruchsvollen Arbeitsweise untrennbar verbunden. Mit keinem anderen Medium als der glühend heißen Elektrode arbeitet Haas – wie ein Steinbildhauer mit seinem Meißel – die Skulptur aus dem Stahlblock heraus. Mit der Elektrode entstehen die für den Künstler typischen Oberflächen, die „Zeichnungen in Stahl“.
Feuer und Luft sind die Elementarkräfte, mit denen Haas seine Skulpturen formt. Der Lichtbogen in der Hand des Bildhauers erreicht Temperaturen über 6000 Grad Celsius. Mit diesem glühenden Stift schmilzt der wie ein Schwerarbeiter geschützte Bildhauer den Stahl. Durch einen Luftstrahl wir der flüssige Stahl weggeblasen. Langsam und konzentriert arbeitet Ludwig Haas daran, der Figur grob Form zu geben. Erst zuletzt folgen die formalen Strukturen in der Oberfläche und die Figur bekommt ihre Haut. Die große Hitze und gleißende Helligkeit bei dieser Fein – Schwerarbeit erlauben ihm nur einen eingeschränkten Blick auf das entstehende Werk. Umso wichtiger ist es, dass die Hand des Bildhauers die Elektrode ruhig und sicher führt. Diese Kultivierung der Langsamkeit und Bedächtigkeit kostet Ludwig Haas in seinem Schaffensprozess voll und ganz aus: nur wenige Skulpturen verlassen die Werkstätten von Haas im Jahr.
Seit 2001 schuf Ludwig Haas unter anderen zwei Serien von Stahlskulpturen: „Menschenpflanzen“ und „Kopf im Korsett“. Die Werkserie „Menschenpflanzen“ umfasst monumentale Arbeiten, die durch einfache vegetabile Formen den Lebenszyklus vom Werden, der Reife und der Vergänglichkeit versinnbildlichen. Der Kunsthistoriker Aby Warburg nannte es „Pathosformel“ und meinte damit, bildnerisch jenen fruchtbaren Moment zu erfassen, der eine Geistesverfassung am deutlichsten darzustellen vermag. Ebendies gelingt Ludwig Haas in seinen Stahlskulpturen. Das gestalterische Problem, das den Bildhauer interessiert, ist die innere Verfassung der Skulptur, die Verteilung der Gewichte zwischen den Formen, es ist die filigrane, in jedem einzelnen Werk individuelle Anordnung der Riefen und Rillen, die aus dem harten Stahl glaubwürdige Symbole eines zur Ruhe gekommenen Lebens machen.
Die „Serie Kopf im Korsett“ verdichtet die Haas`schen Spezifika im kleineren Format: die Köpfe sind so einfach und endgültig formuliert wie wir es bereits von antiken griechischen oder afrikanischen Kultstatuetten kennen. Die stählerne Narbenzier strukturiert die Oberfläche wie eine dekorative Tätowierung. Jeder Kopf ist anders, jeder Kopf ist eine strikt individuelle Maske. Was mag wohl das Titel gebende Korsett sein, das die Büsten des Ludwig Haas einschnürt? Die Verhinderung eines Gedankens? Oder die Sprachlosigkeit dieser stummen Gesellschaft mit offenen Mündern? Demjenigen, der bereit ist, der Kunst des Ludwig Haas zu lauschen, mögen sie es verraten.
(Verfaßt von Mag. Martin Titz, 2009)
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